Die Plus Lucis Fortbildungswoche in neuem Gewand
In diesem Jahr präsentierte sich die traditionsreiche Plus Lucis Fortbildungswoche mit einer neuen Struktur. Die Beiträge zu den Fächern Chemie und Physik fanden nicht mehr an getrennten Tagen statt, sondern miteinander verschränkt von Montag bis Mittwoch und es gab zum zweiten Mal einen eigenen Nachmittag für Primarstufenlehrer*innen. Mit dieser Änderung wurde es den Teilnehmer*innen ermöglicht, zwischen den Vorträgen und Workshops der Fächer Chemie und Physik zu wechseln, womit den vielen Überschneidungsbereichen der beiden Fächer Rechnung getragen wurde.
Wir möchten hier kurz über die Vorträge mit chemischem Schwerpunkt und am Sachunterrichtsnachmittag berichten.
Den Auftakt machte Dr. Stefanie Schwedler von der Universität Bielefeld mit ihrem Vortrag „Das Unsichtbare sichtbar machen – Lernen mit Simulationen im Grenzbereich zwischen Chemie und Physik“. Da die Ursachen für viele Vorgänge und Phänomene in der chemischen Energetik und Reaktionskinetik nicht direkt beobachtbar sind, stellen sie für Lernende oft eine besondere Herausforderung dar. Zum Beispiel stellt sich die Frage: Wieso sind nicht alle Gasteilchen bei derselben Temperatur gleich schnell? Die Erklärungen und Darstellungen mit Formeln und Diagrammen führen meist nicht zu einem angemessenen Verstehen. In dem anschaulichen Vortrag wurden Forschungserkenntnisse zu dieser Thematik und das Lernen mit Simulationen als ein möglicher Lösungsansatz vorgestellt.
Dr. Mario Rothbauer vom Institut für angewandte Systemchemie an der Technischen Universität Wien gab mit seinem Vortrag „Forschung ohne Tierversuche – Interdisziplinäre Forschung an der Grenzfläche zwischen Chemie, Physik und Biologie“ Einblicke in hochaktuelle Forschungsprojekte, die es zukünftig ermöglichen sollen, ohne Tierversuche Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Wirkungsmechanismen von Medikamenten zu gewinnen. Er stellte Mikrophysiologische Modelle (Organ-on-a-chip) vor, die es erlauben, Situationen in Organen sehr spezifisch nachzubauen, um das komplexe Zusammenspiel zwischen Organen und Geweben im menschlichen Körper nachzuahmen. Der Vorteil dieser menschlichen Gewebekulturen ist, dass die Zellen nicht nur versorgt, sondern auch biomechanisch bzw. biochemisch stimuliert werden können. Zum Beispiel können die Bedingungen in Blutgefäßen mit starker und schwacher Strömung simuliert und die davon beeinflusste Aufnahmegeschwindigkeit von Medikamenten erforscht werden. Dadurch könnten in Zukunft sehr viel spezifischere Erkenntnisse gewonnen werden als in Tierversuchen oder in klassischen Zellkulturen.
Dr. Axel Eghtessad vom Zentrum für Fachdidaktik an der Pädagogische Hochschule Tirol widmete sich in seinem Vortrag den Herausforderungen, die „Das Beziehungsgeflecht zwischen Sprache und Fach im Chemieunterricht“ beinhaltet. Sprache ist auf verschiedenen Ebenen im Unterricht wirkmächtig. Im naturwissenschaftlichen Fachunterricht werden Informationen überwiegend sprachlich vermittelt. Auf der Ebene der Lernenden gibt es zumindest zwei Sprachen, die für das Lernen relevant sind: eine Sprache des Verstehens und eine Sprache des Verstandenen. Darüber hinaus bestehen im Chemieunterricht unterschiedlichste (fach-)sprachliche Anforderungen, die sich in der Differenzierung von Abstraktionsniveaus, Basiskonzepten, Modellen, Symbolebenen usw. manifestieren. Darüber hinaus gilt in allen Fächern, dass die zunehmende Diversität im Klassenzimmer sprachlich berücksichtigt werden muss.
Dr. Philipp Spitzer vom Österreichischen Kompetenzzentrum für Didaktik der Chemie an der Universität Wien zeigte mit seinem Vortrag „Das Smartphone als Brille zur chemischen Welt“ Wege und Möglichkeiten auf, das Smartphone gewinnbringend für das Lernen von Chemie zu nutzen. Digitale Plattformen wie Apps oder Webseiten ermöglichen die einfache Bereitstellung von Inhalten, die im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Schule genutzt werden können. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte er dabei spannende chemische und physikalische Prozesse und Phänomene, die es in der Natur und im Alltag zu entdecken gilt. Besonderen Fokus setzte er auf das Projekt SpottingScience(https://spottingscience.at/), bei dem die zu vermittelnden Inhalte an Ort und Stelle mit dem Smartphone über QR-Codes aufgerufen und damit in erlebbare Kontexte gesetzt werden können. So kann SpottingScience dazu beitragen, gelernte Inhalte auf reale naturwissenschaftliche Fragen und Phänomene anzuwenden und damit eine Festigung des Wissens ermöglichen.
Den Sachunterrichtsnachmittag eröffnete Dr. Tim Billion-Kramer vom Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung in Heidelberg mit seinem Vortrag „Staunen, experimentieren oder big ideas? Quo vadis frühe naturwissenschaftliche Bildung?“ Ausgehend von der Frage, was denn frühe naturwissenschaftliche Bildung ist und was sie leisten kann und soll, wurde diskutiert, ob die Abarbeitung einer Liste verbindlicher Versuche im Bildungsplan oder die Orientierung an naturwissenschaftstypischen Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen zielführender seien. Hier wurde schnell klar, dass letzteres das deutlich größere Potential für eine altersangemessene naturwissenschaftliche Bildung aufweisen. Zum Beispiel sind Fragen sowohl Ausgangspunkt als auch Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse und spiegeln damit das kindliche Explorationsverhalten. Dieses gilt es systematisch zu unterstützen und angemessen weiterzuentwickeln. Betrachtet man die Unterrichtswirklichkeit, dann überwiegen meistens die manuellen Aktivitäten (hands-on) deutlich die kognitiven (minds-on). Im Vortrag wurde diskutiert, was sinnvolle und gute Fragen für den naturwissenschaftlichen Sachunterricht sind, wer sie stellen kann und wie mit ihnen zielführend umgegangen werden kann. Zentral für gelingende frühe naturwissenschaftliche Bildung bleibt, die Kontexte so zu wählen und zu gestalten, dass die daraus generierten Fragen für die Kinder bedeutsam sind.
Neben den Plenarvorträgen gab es zahlreiche spannende Workshops und Exkursionen für die rund 350 Teilnehmer*innen. Für genauere Informationen ist das Programmheft mit allen Abstracts über die Plus Lucis Homepage abrufbar https://www.pluslucis.org/Datein/Programm_FBW-2020.pdf.